Mittwoch, 10. August 2016
Der Horror in Murcia
Bahnfahren in Portugal war einfach. Bahnfahren in Spanien nicht. Zumindest nicht, wenn man ein Interrailticket hat. Denn man kommt nicht einfach durch die Schalter, sondern muss zu einer Person laufen, die einem ein Tor zum Gleis öffnet. Doch wie erfährt man das und wer sagt einem wo man hin muss? Diese Fragen beschäftigten mich, als ich Madrid verlassen wollte und wieder kein Mensch zu finden war der a) Englisch sprechen konnte und b) Ahnung hatte, wie das System in Spanien funktioniert. So irrte ich mit meinem Interrailticket am Bahnhof herum, fragte die verschiedensten Leute und wurde dann endlich von einem alten netten Herren zum Engelstor geführt. Die Fahrt nach Murcia begann und bisher gab es stets nette Menschen, die mir halfen meinen riesigen Rucksack im Zug zu verstauen.
In Murcia angekommen, war ich überrascht von der Schönheit der Stadt und den Menschen, die überhaupt nicht ins Bild passten. Eine Erleichterung kam über mich, als ich im Hostel ankam. Doch an der Stelle beginnt der Horror und ich bitte nun alle Frauen um Aufmerksamkeit: Ich hatte ein Vierbettzimmer für mich alleine. Keinen Spind, keine Lampe und schließlich keine Möglichkeit die Tür abzuschließen. Guten Glaubens machte ich mir klar, dass nichts passieren kann und niemand meine Klamotten klauen wird. Zwei Uhr morgens. Die Tür ging auf, ich wachte auf, ein junger Herr legte sich auf das obere Bett. Er bemerkte, dass ich wach war und versuchte mit mir zu kommunizieren. Natürlich konnte der Spanier kein Englisch und setzte sich mit seinem Übersetzer auf mein Bett. Die Anzeige "sexy pictures" auf seinem Display verunsicherte mich, doch ich wollte nicht sofort in Panik ausbrechen. Er fragte also, ob er in meinem Zimmer in einem der Betten schlafen könne, da es in seinem Zimmer zu laut sei. Ich machte ihm deutlich, dass es okay sei, solange er in einem der anderen drei Betten schliefe. Erneut fragte er mich. "Can I sleep with you?" Und ich dachte "Der kann echt kein Englisch", zeigte erneut auf die freien Betten und schließlich legte er sich neben mich. Das ist der Moment, in dem jedes Mädchen schreien sollte. Doch ich schickte ihn lediglich mit ernster Stimme raus. Nachdem er mich einige Minuten durch das Fenster beobachtete, kam er wieder in das Zimmer und fragte, ob ich in der nächsten Nacht in seinem Zimmer mit ihm schlafen möchte. Panisch wurde ich lauter, hatte jedoch noch kein Mädchen an dem Abend im Hostel gesehen. Wer weiß, was eine männliche Hilfe für eine "Hilfe" sein kann und für wen. Also versuchte ich die Türe abzuschließen- ohne Erfolg. Ich telefonierte mit sämtlichen Leuten: einem Freund aus Portugal, meiner Schwester (die gesamte Nacht aus Angst, jemand käme erneut rein) und versuchte die Rezeption zu erreichen, da ich mein Zimmer nicht verlassen wollte. Doch niemand war da. Bis zum Morgen wurden die Gäste des Hostels alleine gelassen. Umso mehr Hilfe erfuhr ich, als die Rezeption wieder belegt war. Eine Identifikation des "Täters", ein Angebot jederzeit wieder kommen zu können, die Polizei informieren zu können und hunderte Entschuldigungen. Doch für mich stand fest, dass ich diese Stadt auf der Stelle verlassen würde und so schnell wie möglich zum Bahnhof gelangen musste, weil dort Sicherheitskräfte waren. Das Hostel in Valencia hatte zum Glück ein freies Bett und diente die folgenden Tage als Schutz und Fels in der Brandung. Ob ich anderen Frauen einen Tipp geben kann? Lasst nichts über euch ergehen. Versucht klar zu denken und werdet lauter. Ob ich alles richtig gemacht habe, kann ich nicht sagen. Ich denke, in solch einer Situation gibt es kein "richtig", doch falsch wäre es stumm zu bleiben. Aber ich habe "überlebt", vor allem Glück gehabt und Hilfe von Familie, Freunden und dem guten Herren dort oben bekommen.

... comment